Standard – Was ist das eigentlich?
Oder: „Wir sind hier nicht bei wünsch Dir was, Wir sind hier bei so isses!“
Als ehemaliger Leiter eines HR-Shared Service Centers wurde mir standardisiertes Vorgehen praktisch ins Blut gelegt. Allerdings habe ich schon damals sehr merkwürdige Auslegungen des Begriffes „Standard“ war nehmen müssen. Was ist nun also ein Standard. Laut Wikipedia: „ist ein Standard, eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas zu beschreiben, herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat oder zumindest als Richtschnur gilt.“
Wenn man es auf Geschäftsprozesse bezieht, ist ein Standard also so eine Art Leitplanke für die Ausprägung von Geschäftsprozessen. Damit ist aber auch klar, einem Standard zu folgen oder etwas zu standardisieren heißt nicht, wir machen alles gleich. Bricht man das Ganze nun auf die Umsetzung von Geschäftsprozessen in einer Software herunter, kommt eine weitere Dimension hinzu. Wir wollen zum einen unsere Geschäftsprozesse nach einem bestimmten Vorgehensmodell (unserem Standard) modellieren und zum anderen wollen wir das alles in einer Standard-Software abbilden. Aber hier gibt es nun gravierende Unterschiede. Denn Standard ist eben nicht gleich Standard.
Nehmen wir die großen und mächtigen Tools, die in vielen Personalmanagementbereichen Anwendung finden, wie SAP, SuccessFactors, Workday oder auch Oracle. All diese IT-Werkzeuge werden als Standard-Software bezeichnet, da Sie für bestimmte Geschäftsprozesse entsprechende Vorlagen mitbringen, die Standards eben. Die unterscheiden sich natürlich von Produkt zu Produkt und diese Standards sind in den meisten Fällen nicht ohne Anpassungen für den Endkunden nutzbar. Das ist nicht sonderlich überraschend, da ja ein Standard nur einen Rahmen vorgibt und kein Kunde gezwungen werden kann und soll exakt so zu arbeiten, wie ein anderer Kunde. Möchte man diese „Standardsoftware“ nun aber auf die Kundenbedürfnisse anpassen, ist neben der Einstellung bestimmter Parameter häufig auch eine Programmierung erforderlich. Und hier kommt der nächste Standardbegriff ins Spiel. Bei den o.g. Herstellern ist eine solche Programmierung nur unter Nutzung des jeweiligen Herstellerstandards möglich. Wer kennt nicht im SAP Umfeld den Begriff der ABAP Programmierung. Diese Programmiersprache ist ein Herstellerstandard und wird nur im SAP-Umfeld genutzt. Ähnlich ist es bei anderen Herstellern auch. Es wird dafür also Spezialwissen benötigt. Im Gegensatz dazu gibt es inzwischen auch Produkte, die mit sogenannten Industriestandards arbeiten, also Standards, die allgemein gültig sind und demzufolge auch sehr weit verbreitet. Auch hier ist spezifisches Wissen erforderlich, aber durch die breite Anwendungslandschaft und Vielfalt der Nutzung ist dieses spezifische Wissen leichter verfügbar.
Ein Beispiel sind hier sogenannte Process-Engines, mit denen man Geschäftsprozesse abbilden kann und die dafür Daten unterschiedlicher Quellen nutzen. Die Prozesse werden dabei im Industriestandard BPMN moduliert, die Schnittstellen zu anderen Systemen werden im Industriestandard API-REST ausgeprägt, die Funktionen im Industriestandard JAVA-Script entwickelt und für das Frontend werden weit verbreitete Content Management Systeme, wie TYPO3 genutzt. Ganz konkret konnte ich hier erste Erfahrungen mit der NLC-Plattform der ESCRIBA AG aus Berlin sammeln und bin überrascht welche Möglichkeiten hier erschlossen werden können. Und auch wenn hier Prozesse sehr frei gestaltet werden können, folgt man einem bestimmten Standard. In der Plattform selbst, den genannten Industriestandards und bei der Ausprägung der Geschäftsprozesse empfiehlt es sich, dass der Kunden einen eigenen, kundenspezifischen Standard für seine Prozesse setzt. Woher sollten sonst auch Alleinstellungsmerkmale eines Unternehmens kommen, wenn jeder alles so macht wie der andere.
Mich würde sehr interessieren, wie meine Leser:innen den Umgang mit Standards und die erforderliche Flexibilität im Geschäftsleben sehen und bewerten. Ich freue mich daher über jedes Feedback.