Der Herbst der Reformen
Man kann ja mal Träumen
Die neue Regierung hat den Herbst der Reformen ausgerufen, nur der Glaube daran, dass da wirklich was sinnvolles kommt fehlt mir. Jede Regierung, die den Versuch von Reformen unternommen hat wurde in diesem Land abgewählt. Ob Schröder mit seiner Agenda 2010 oder zuletzt die Ampel, alle wurde vom Wahlvolk abgestraft, weil sich etwas verändern sollte.
Bei den jetzigen Akteuren ist daher aus meiner Sicht nicht wirklich viel zu erwarten, da es den Verantwortlichen augenscheinlich mehr um Machterhalt als um zwingend notwendige Veränderungen für dieses Land geht.
Aber, man kann ja mal Träumen.....
Unser Sozialsystem
Seit mehreren Jahrzehnten wissen wir, dass unser Sozialsystem in der bisherigen Form nicht zu finanzieren ist. Keine Regierung hat jedoch jemals einen ernsthaften Versuch unternommen, dieses System grundlegend zu verändern. Dabei ist gerade auch im Sozialsystem deutlich zu erkennen, dass wir uns tot verwalten und nicht in der Lage sind Dinge einfacher zu gestalten. Mir ist bis heute nicht klar, warum man für die gesetzliche Krankenversicherung mehr als eine Versicherungsgesellschaft benötigt. Ja, aus Kostengründen ist die Anzahl der gesetzlichen Krankenversicherungen in den letzten Jahre deutlich reduziert worden, aber es liegt doch auf der Hand, dass man hier ein gewaltiges Einsparpotenzial hat. Hier mal die Entwicklung seit 1970:
- 1970: 1.815 Krankenkassen
- 1990: 1.147 Krankenkassen
- 2000: 420 Krankenkassen
- 2020: 105 Krankenkassen
- 2024: 95 Krankenkassen
- 2025: 94 Krankenkassen
Wir haben also immer noch 94 Verwaltungen mit Wasserkopf und Querschnittsfunktionen anstatt Einer! Das gleiche gilt für die Pflegeversicherung, die ja den jeweiligen Krankenversicherungen zugeordnet sind.
Bei der Rentenversicherung haben wir zwar neben den berufsständischen Versicherungen und der Knappschaft nur eine große Versicherungsgesellschaft, aber hier werden auch Sachverhalte organisiert, die mit der eigentlichen Rente überhaupt nichts zu tun haben. Darüber hinaus ist ebenfalls seit Jahrzehnten klar, dass die heutige Finanzierung unmöglich fortzuführen ist, da immer weniger Arbeitnehmer:innen immer mehr Rentner finanzieren müssen. Es hätte schon vor vielen Jahren eine Umstellung auf ein anderes Finanzierungsmodell erfolgen müssen. Die betrieblichen Altersversorgungssysteme machen vor, wie es gehen könnte und auch bei vielen betrieblichen Altersversorgungssystemen sind Erwerbsunfähigkeit und Hinterbliebenenversorgung inkludiert. Also die Kernstücke eines Rentensystems.
Wer jetzt nur daran denkt Sozialleistungen zu kürzen, ist auf einem völlig falschen Weg. Das einzige in diesem Umfeld das bekämpft werden muss ist der zumeist kriminelle und häufig gut organisierte Sozialleistungsbetrug.
Unser Steuersystem
Warum werden in diesem Land Kapitalerträge immern noch weniger besteuert als Erträge aus der Berufstätigkeit? So sieht die Einkommenssteuer in der Steuerklasse I in 2025 aus:
Einkommen (2025) | Steuersatz (2025) |
bis 12.084 Euro | 0% |
bis 17.430 Euro | 14 - 24% |
bis 68.430 Euro | 24 - 42% |
bis 277.825 Euro | 42% |
ab 277.826 Euro | 45% |
Beim Kapitalertrag hingegen sind 1.000 € steuerfrei und der Rest wird mit 25 % pauschal besteuert, völlig unabhängig von der Höhe der Erträge. Wenn ich also Geld arbeiten lasse zahle ich im Zweifel deutlich weniger Steuern, als wenn ich selbst Arbeitseinkommen erziele. Die Steuerlast ist in diesem Land ungleichmäßig verteilt und im Zweifel holt man sich das Geld von den Menschen, die man als tragende Säule unserer Gesellschaft betrachten kann, den unteren und mittleren Einkommensschichten. Hier könnte man also sehr wohl etwas tun. Das ist dann übrigens keine Steuerhöhung, sondern eine Umverteilung. Die ist laut Koalitionsvertrag meines Wissens nicht tabu.
Bürokratie, Datenschutz und Föderalismus
In Sachen Bürokratie ist Deutschland weiterhin ganz vorn mit dabei - eine Tatsache, auf die man nicht stolz sein sollte.
Wenn ich mir andere Länder ansehe, haben wir hier noch reichlich Luft nach oben. In den skandinavischen und baltischen Staaten kann man mit seiner Bürgernummer (der Begriff ist in jedem Land etwas anders) nahezu alle staatlichen und auch viele private Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne das man sich noch großartig anders authentifizieren muss. Die Bürger:innen entscheiden selbst wem sie welche Daten zugänglich machen und können somit Ummeldungen, Anmeldungen, Ausweis beantragen, Konto eröffnen und vieles vieles mehr einfach und bequem online organisieren. In Deutschland wird hier häufig mit dem Datenschutz argumentiert und dann sind solche Lösungen plötzlich nicht umsetzbar. Ich frage mich nur, warum in anderen "demokratischen" Ländern solche Lösungen machbar sind und hier nicht. Der Schutz persönlicher Daten ist ein hohes Gut, aber liebe Datenschützer ich möchte selbst über die Nutzung meiner persönlichen Daten entscheiden dürfen. Ich erwarte daher von Datenschützern nicht eine Auflistung von Argumenten gegen solche Lösungen sondern innovative Vorschläge, wie man so etwas unter Berücksichtigung des Datenschutzes umsetzen kann.
Dann noch eines meiner Lieblingsthemen, der Föderalismus. Der Föderalismus in diesem Land hatte zur Gründung der Bundesrepublik seine Berechtigung. Wir leben aber nicht mehr im Jahr 1949 sondern in einer global agierenden und vernetzten Welt des Jahres 2025. Wer sich heute noch in Kleinstaatigkeit verliert, wird die großen Herausforderungen diese Zeit nicht bewältigen können. Daher gehört der Föderalismus der Vergangenheit an. Hier kann die Politik sofort handeln - man muss es nur wollen.